Erneuerbare Energien Windkraft: Ausbauziele bis 2024 dürften nicht zu schaffen sein

04. August 2023, 15:30 Uhr

Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp zehn Gigawatt werden an Land noch gebraucht, um bis Ende 2024 die erste Etappe des Ausbauziels der Bundesregierung zu schaffen. Die Daten zeigen: Das wird wohl nichts.

69 Gigawatt sind das Ziel. Aber diese im Diagramm rot eingefärbte Ziellinie wird Ende 2024 verfehlt, wahrscheinlich um etwa drei Gigawatt. Das geht aus einem Report des "Science Media Center Germany" hervor, der auf Daten des Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur beruht.

Was sind schon drei fehlende Gigawatt, fragt man sich da. Nicht viel, oder doch? Wie so oft gilt: Alles ist relativ. Für "nicht viel" spricht, dass man bis Ende 2024 wahrscheinlich 66 der gewünschten 69 Gigawatt Gesamtleistung durch Windkraft an Land installiert haben wird. Wenn drei von 69 fehlen, dann klingt das nach relativ wenig, es wird schon nicht so schlimm sein.

Für "doch viel" sprechen mehrere Dinge. Zum einen die Tatsache, dass man für drei Gigawatt rechnerisch 842 derzeit typische Windräder bräuchte, und 842 sind ja dann doch kein Pappenstiel. Und zum anderen spricht für "doch viel" die Diskrepanz zwischen gewünschtem und tatsächlichem Ausbautempo. Denn Deutschland ist mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ja nicht bei Null gestartet. Anfang 2023 stand man bereits bei 58 Gigawatt installierter Windkraftleistung an Land, binnen zwei Jahren sollten es also elf mehr sein. Und wenn dann von diesen elf drei fehlen, dann ist das schon relativ viel.

Ein Beleg für das schleppende Ausbautempo ist der schlichte Fakt, dass im Jahr 2023 bislang erst 1,46 Gigawatt neu in Betrieb genommen wurden. Im Zwei-Jahres-Zeitraum, auf den es ankommt, um das Etappenziel 2024 zu erreichen, sind also schon 29 Prozent der Zeit vergangen (sieben von 24 Monaten), es wurden aber erst 13 Prozent der gewünschten Windkraftleistung installiert.

Es dauert üblicherweise mehr als eineinhalb Jahre, eine Windkraftanlage zum Laufen zu bringen

Wie aber will man jetzt schon wissen, was Ende 2024 sein wird? Zugegeben, das kann man nicht wirklich wissen, aber doch ziemlich genau schätzen. Denn man weiß, wie viel Zeit ins Land streicht (bzw. bisher strich) vom Zeitpunkt, da eine Windkraftanlage ausgeschrieben wird bis hin zum Zeitpunkt, an dem sie dann in Betrieb geht.

Und da merkt man: Die deutliche Mehrheit der Windkraftanlagen, die von nun an (Stand 31. Juli) ausgeschrieben werden, wird Ende 2024 noch nicht am Netz hängen. Denn typischerweise beträgt die eben beschriebene Zeitspanne, die man Realisierungsdauer nennen kann, um die 20 Monate, bis Ende 2024 sind aber nur noch 17 Monate Zeit.

Man sieht, dass die Abweichung der typischen Realisierungsdauer bei den im Laufe der vergangenen Jahre ausgeschriebenen Windrädern nicht sonderlich groß war. Deutlich wird das auch, wenn man sich eine Art historischen Verteilungsbaum ansieht, aus dem hervorgeht, dass bei insgesamt fast genau zwei Dritteln aller Windkraftanlagen an Land zwischen 16 und 26 Monate von der Ausschreibung bis zur Inbetriebnahme vergehen. Das sind die gelben Balken in der Mitte. Kürzere und längere Zeitspannen als diese 16 bis 26 Monate sind deutlich seltener.

Und wenn man dieses Wissen bzw. so eine Verteilung rechnerisch auf die aktuellen Ausschreibungsdaten anwendet, kommt man zur Prognose, die ganz oben zu sehen war.

Und wenn plötzlich alles schneller geht?

Das schleppende Ausbautempo ist natürlich kein Geheimnis und auch keine ganz neue Erkenntnis. Dementsprechend wird diskutiert, wie man die Realisierungsdauer zwischen Ausschreibung und Inbetriebnahme verkürzen könnte. Zum Beispiel wurden kürzlich die Genehmigungen für Schwertransporte, mit denen Rotoren oder Turmsegmente geliefert werden, thematisiert. Diese Transporte benötigen bis zu drei Monate von der Beantragung bis zur Durchführung.

Aber wie würde sich eine um, sagen wir mal, zwei Monate verkürzte Realisierungsdauer auf das Erreichen des 69-Gigawatt-Ziels auswirken? Wäre das die Lösung? Leider nein. Das Ergebnis fiele zwar besser aus, aber noch immer würden knapp zwei Gigawatt fehlen.

Etappenziel 1 des Wind-an-Land-Gesetzes wird verfehlt werden, das scheint jetzt schon klar zu sein. Umso höheres Tempo wird man also anschlagen müssen, um das Fernziel "115 Gigawatt bis Ende 2030" zu schaffen. Wie da und bei der Windkraft auf See der jeweils tagesaktuelle Stand ist, sehen Sie auf unserer Übersichtsseite: Wo wir gerade stehen: Live-Daten zum Windkraft-Ausbau in Deutschland

(rr/smc)

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